Die Weihnachtskrippe

krippe

von Sebastian Osterrieder der Pfarrgemeinde St.Nikolaus in Stetten

Die Pfarrgemeinde Stetten war bis 1921 nicht im Besitz einer Kirchenkrippe.Erst als die 1920 verstorbene Witwe Martina Renner testamentarisch der Kirchenpflege 150.–Mark zu einem Christkindle (Krippe) vermacht hatte,beschloß der Kirchen- stiftungsrat eine Krippe anzuschaffen.Da zu damaliger Zeit in einer Seitenkapelle der Pfarrkirche St.Nikolaus ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des ersten Weltkriegs eingerichtet wurde und damit verbunden diese Kapelle neu ausgemalt wurde,befragte der Ortspfarrer Roman Stehle den hier tätigen Kirchenmaler Hartmann aus München ob er ihm nicht einen Künstler wisse,der Weihnachtskrippen für Kirchen herstelle.Dieser empfahl, sich and den „Akademischen Bildhauer“ Sebastian Osterrieder in München zu wenden, bzw.wenn der Pfarrer einverstanden sei,würde er sich selbst bei Osterrieder umsehen.Er brachte dann einen „Catalog“ mit Krippenabbildungen sowie ein von Osterrieder zusammengestelltes Schriftstück mit „Zeugnis-Abschriften und Zeitungs-Kritiken nach Stetten,damit sich Pfarrer und Stiftungsrat eine Krippe aussuchen könnten.

Sebastian Osterrieder ist am 19.Januar 1864 in Abensberg bei Kehlheim in Niederbayern geboren.Schon als Kind fertigte er kleine,geschnitzte Figuren aus Baumrinden und Lindenholz.Mit 22 Jahren ging Osterrieder nach München.Er besuchte die Kunstgewerbeschule und vier Jahre später die Akademie für bildende Künste.Er zeigte sich dort als sehr begabter Schüler.  1896 erhielt erhielte er den Auftrag für den Katolikentag in Landshut eine Großplastik von Papst Leo XIII anzufertigen.So eröffnete sich ihm die Möglichkeit zu mehreren Audienzen beim hl.Vater,aber auch zu längeren Studienaufenthalten in der ewigen Stadt.In Rom machte er auch erste Studien an altsizilianischen Krippen und ab 1900 wandte er sich in München verstärkt der Krippenkunst zu.Er entwickelte ein Verfahren,welches das Gießen besonders feiner Figuren möglich machte.Er nennt seine Modeliermasse „französischer Hartguss“.Die Figuren bestehen aus einem Drahtgestell auf welches die Gußmasse,eine Mischung aus Gips,Champagnerkreide und Hasenleim aufgetragen wird.Die nackten Figuren werden bemalt und erhalten Glasaugen.Anschließend werden die Figuren mit Kleidern aus Leinen,welches in Leim getränkt wurde,angezogen.Nach dem Erstarren der Stoffe wurden die Kleider fantasievoll bemalt.1905 bestellte Bischof Doppelbauer aus Linz für den dortigen Dom bei Osterrieder eine Krippe.Er wünschte sich eine dem Orginalschauplatz nachgebaute Geburtshöhle,eingebettet in die Landschaft des Heiligen Landes.Es sollte außerdem die größte und schönste Krippe werde,die je geschaffen wurde.Osterrieder erhielt im Frühjahr 1910,auch durch die Unterstützung des deutschen Museums,die Möglichkeit drei Monate mit einer Karawane durchs Heilige Land zu reisen.Mit einer Fülle von Eindrücken und Skizzen kehrte er zurück.Der orientalische Einfluß in seinen Krippen und rund 100 verschiedenen Figuren ist nicht zu übersehen. Osterrieder gilt auch als der Wiedererwecker der künstlerischen Weihnachtskrippe.Seine Krippen stehen u.a. in mehreren Münchner Kirchen, in Nürnberg,Paderborn,Altöting aber auch in Linz/Österreich,Cleveland, Mexiko und Luxenburg.Auch Papst Pius X und Kaiser Wilhelm II hatten Osterrieder-Krippen in Privatbesitz.Am 5.Juli 1932 starb Sebastian Osterrieder in seiner Heimatstadt München.

Der Stettener Pfarrer Roman Stehle hatte im Oktober 1921 dann Kontakt mit Sebastian Osterrieder aufgenommen und ihm auch gleich den Auftrag zu einer Krippe erteilt.Der Kirchenstiftungsrat wollte jedoch noch einige Vergünstigungen und Bedingungen zwecks der Bezahlung aushandeln.Damit verzögerte sich das Ganze und als Pfarrer Stehle mit Schreiben vom 17.Dezember die Krippe offiziell bestellte,teilte ihm Osterrieder mit,das die für Stetten vorgesehene und gefertigte Krippe zwischenzeitlich leider an den „Verein für kirchliche Kunst“ verkauft worden sei.Außerdem sei natürlich so kurz vor Weihnachten fast alles verkauft.Er würde aber den letzten noch halbfertigen Krippenstall sowie alle noch verfügbaren Figuren liefern.Es fehle aber noch der Knabe mit der Flöte sowie 3 kleine Engel und ein musizierendes Engelchen.Für die fehlenden Figuren wurden von der Gesamtrechnung von 6200.–Mark 360.–Mark abgezogen,sodass die Krippe auf 5840.–Mark kam. Dies waren allerdings schon von der damaligen Inflation stark beeinflußte Preise.Am 13.Januar 1922 schrieb Sebastian Osterrieder an Pfarrer Stehle:“die hl.Drei Königsszene ist zur Zeit nicht lieferbar,da sie ausverkauft wurde.Vielleicht dürfen wir später eine Offerte machen.Schade,daß die für sie reservierte Krippe anderweitig verkauft wurde,aber die Bestellung war zu spät.“Aus späteren Briefen geht hervor,daß Pfarrer Stehle,bedingt durch die Inflation,große Schwierigkeiten hatte,1923 die letzten mit Osterrieder vereinbarten Raten zu zahlen.Er legte von sich sogar 500.–Mark dazu.Somit erklärt sich dann wohl auch,daß es an der Stettener Krippe keine hl.Drei Könige gab und später nicht mehr daran gedacht wurde eine solche Gruppe nachzukaufen.Die Figuren der Krippe wurden beim jährlichen Aufstellen wahrscheinlich nicht immer mit der nötigen Sorgfalt behandelt und wiesen daher größere und kleinere Beschädigungen auf.Auch dürfte es in Stetten nicht allzu bekannt sein,welchen Wert die Krippe hattte.So geriet die Krippe ab ca.1950 in Vergessenheit und gelangte in den 70er Jahren in private Hände.1994 konnte die Kirchengemeinde mit Hilfe von Spenden die Krippe zurückkaufen und von Restaurator Xaver Heinzler aus Inzighofen hervorragend restaurieren lassen.Seither wird die Krippe als Leihgabe der Kirchengemeinde St.Nikolaus zur Weihnachtszeit im Museum in Mühlheim gezeigt.